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HANS BERMÜHLER



geboren am 24. Juni 1885 in Schloss Wallenburg,

Deutscher, verheiratet mit einer Jüdin,

Kaufmann, Versicherungsagent,

beim FC Bayern seit 1. April 1900,

unter anderem Spieler, Jugendleiter, 

Präsident, Ältestenrat,

Vereinsausschluss 1936,

Wiedereintritt 1953,

gestorben am 10. Juli 1956 in Miesbach.

 

Gerade einmal 32 Tage nach der Gründung des FC Bayern München am 27. Februar 1900, tritt der Schüler Hans Bermühler am 1. April 1900 im Alter von 14 Jahren in den Club ein. In den folgenden fast vier Jahrzehnten gehört er zu den Protagonisten, die den Verein wie nur wenige prägen werden.

 

Hans Ludwig Bermühler erblickt er am 24. Juni 1885 in Schloss Wallenburg bei Miesbach das Licht der Welt. Sein Vater ist der am 29. Dezember 1850 geborene Eduard Bermühler, seine Mutter die 1853 geborene Marie, Tochter des Münchner Hofdruckereibesitzers Friedrich Wolf. Vater Eduard besitzt den alten Adelssitz Schloss Wallenburg. Dieses verkauft er bereits 1891 und verlegt den Lebensmittelpunkt der Familie in die aufstrebende Landeshauptstadt München. So wächst Hans Bermühler ab seinem sechsten Lebensjahr hier auf, genauer gesagt in der Georgenstraße in Schwabing, wo sein Vater die Immobilie der Hausnummer 15 erwirbt. 

 

Nach der Gründung des FC Bayern München dauert es nicht lange und auch der Schüler Hans Bermühler lässt sich vom nun auch endgültig in München aufkeimenden Fußball-Virus infizieren. 

Wahrscheinlich befindet er sich unter den Zuschauern, als der junge Club am 1. April 1900 auf der Schyrenwiese sein erst zweites Spiel der jungen Vereinsgeschichte bestreitet. Mit 7:1 wird die Fußballmannschaft des Männerturnvereines, aus dem der FC Bayern hervorgegangen ist, besiegt. Ab diesem 1. April, drei Tage bevor am 4. April überhaupt erst die erste Vorstandschaft gewählt wird, wird Hans Bermühler Mitglied im Club. Ab diesem Tag ist er einer von ihnen. Einer vom FC Bayern München, der damals etwa 30 Mitglieder zählt. 

 

Zukünftig wird er beim wöchentlichen Training auf der Schyrenwiese dabei sein, allerdings mitspielen bei den folgenden Matches darf er mit seinen gerade einmal 14 Jahren noch nicht. Eine Jugendabteilung mit eigener Mannschaft gibt es vorerst noch nicht. Dies wird sich jedoch am 9. Januar 1901 ändern, als in der Vereinsversammlung offiziell eine solche ins Leben gerufen wird. Nach einem halben Jahr kann diese Abteilung immer noch lediglich acht Spieler aufweisen. Es muss sich etwas ändern. Der Club verfügt mittlerweile in der Schwabinger Clemensstraße über einen eigenen Fußballplatz. Die Kinder der umliegenden Gegend werden aufmerksam auf den FC Bayern und beginnen das Spiel zu kopieren, nachzuahmen. Es entstehen sogenannte „Wiesenmannschaften“, die auch dem FC Bayern nicht verborgen bleiben, die für die Jugendabteilung gewonnen werden könnten.

 

„Es war unser Hans Bermühler“, ist in der Vereinschronik heute nachzulesen, „der an den kleinen Talenten Gefallen fand.“ Einer dieser Talente, Hans Hamelmair, wird sich Jahrzehnte später erinnern: „So erschien eines Tages ein junger, hochgewachsener Mann. Röhrlhose, ein fesches Schleiferl als Krawatte und ein Strohhut Marke ,Wagenrad’ waren die auffallenden Merkmale.“ Es handelt sich bei diesem „Mann“ um den gerade einmal 16-jährigen Hans Bermühler, dem wohl ersten „Talente-Scout“ und Jugendtrainer der Vereinshistorie. 1902 wird er dann auch offiziell zum Jugendleiter gewählt. Nachdem er die junge Abteilung auf dem Weg gebracht hat, tritt er jedoch nach einem Jahr zurück. Übergangslos besetzt er 1903/1904 das Amt des Vereins-Zeugwarts. In diesen Jahren gelingt es ihm auch, seinen Vater Eduard für die junge Fußballbewegung zu begeistern und im Verein einzuführen. Eduard Bermühler wird zukünftig als Förderer und Sponsor den FC Bayern unterstützen.

 

Hans Bermühler verlegt zukünftig sein Hauptaugenmerk auf seine eigene Spielerlaufbahn. Am 27. Mai 1901 erscheint der Name des immer noch 15-jährigen erstmals in der Aufstellung der Ersten Mannschaft als Verteidiger beim 1:0-Sieg gegen den süddeutschen FC Stuttgart. Für die kommenden Jahre wird er als Stammspieler unter dem niederländischen Trainer und Starspieler Willem Hesselink diese Position innehaben. Auch beim, bis dahin legendärsten Spiel der Vereinsgeschichte am 14. Mai 1905 gegen den süddeutschen Serienmeister Karlsruher FV, bildet er mit dem zukünftigen Nationaltorwart Hofmeister und den späteren Schweizer Nationalspieler Frenken die Hintermannschaft, die sich hauptsächlich verantwortlich zeichnete für den 0:0-Achtungserfolg. Um 1907 wird Hans Bermühler München verlassen und bis 1910 in Hamburg leben. Spielen wird er danach nur noch in den Reservemannschaften, in den Vorstandschaften ab 1912 unter Dr. Angelo Knorr und Kurt Landauer ist er zukünftig als Beisitzer vertreten. 

 

Auch im Privatleben stehen Änderungen an. Im Oktober 1912 heiratet er Frieda Fischer, ein Jahr später kommt Sohn Hans zur Welt. Im April 1917 wird Tochter Margarete geboren. Zwei Monate darauf trifft die junge Familie ein schwerer Schicksalsschlag. Am 6. Juni 1917 verstirbt Mutter Frieda im Alter von 33 Jahren. Unmittelbar nach Kriegsende im November 1918 heiratet der 33-jährige Familienvater die zehn Jahre jüngere Frieda Ranzmayer. Diese zweite Ehe wird jedoch 1924 geschieden.

 

Als am 28. Juli 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, verbleibt Hans Bermühler in München, wo er als Proviantamtsinspektor tätig ist. Im Gegensatz zu ihm werden etwa zwei Drittel der damals 500 erwachsenen Mitglieder zum Kriegsdienst eingezogen. Als es 1916 darum geht, dass der Club weiter bestehen kann, übernimmt Bermühler erneut Verantwortung. Bis 1919 gehört er drei Jahre der Vorstandschaft an. 1916/17 als Präsident, 1917/18 als Beisitzer und 1918/19 erneut als Präsident, bevor er die Vereinsleitung wieder in die Hände von Vorkriegspräsident Kurt Landauer übergibt. Nachdem er 1917 noch einmal als Spieler in der Ersten Mannschaft ausgeholfen hat, wird er noch lange Jahre für die Alten Herren aktiv sein. 1925, als der Club sein 25-jähriges Jubiläum begeht, gehört Hans Bermühler zu den lediglich sechs Mitgliedern, die mit der Goldenen Jubiläumsehrennadel ausgezeichnet werden. 

 

Als es im Jubiläumsjahr zunehmend zu Ungereimtheiten zwischen der Ersten Mannschaft und der Vereinsführung kommt, ist die Hilfe von Hans Bermühler erneut gefragt. Ab Anfang 1926 übernimmt er mit dem Amt des Spielausschussvorsitzenden eine der wichtigsten Positionen im Club. Und das sehr erfolgreich. Unter seiner Ägide erringt der FC Bayern erstmals in der Vereinsgeschichte die Süddeutsche Meisterschaft, die zur Teilnahme an die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft berechtigt. Hier scheidet die Bermühler-Elf im Viertelfinale gegen Fortuna Leipzig mit 0:2 aus. 

 

Nach zehnmonatiger Amtszeit übergibt er den Staffelstab an seinen Nachfolger. Präsident Landauer würdigt in seinem Jahresbericht seine Verdienste wie folgt: „Mit mustergültiger Sorgfalt und großer Liebe hat der Spielausschuss-Vorsitzende, Herr Bermühler, das ganze Jahr über die Mannschaft betreut und es verstanden, zwischen Spielern und Vorstandschaft das richtige Bindeglied herzustellen.“ 

Wie wichtig das Verhältnis zwischen den Zuschauern und der Mannschaft ist, weiß Bermühler übrigens bereits damals schon einzuordnen. Ebenso, welche Auswirkungen die lautstrake Unterstützung der Fans auf die Spieler haben kann. Folgende bemerkenswerte Ausführung von ihm ist in den Clubnachrichten vom Februar 1926 dokumentiert: „Die Masse kann sich begeistern, lebt mit und ihre Anfeuerung überträgt sich in sichtbarer Weise auf die Spieler, spornt an und fördert ein restloses Aufgehen und Kämpfen der Aktiven. Die Stimmung ist gottlob da und hilft uns mit, die hiesigen Spiele gut durchzustehen. Helfen Sie alle auch für Ihren Teil bestens mit, den Schlüssel dazu haben Sie nun in der Hand. Kommt wieder einmal ein Rückschlag oder eine Schwächeperiode, durch irgendwelche Umstände bedingt, dann bessern Sie sich, verfallen Sie nicht in den alten Fehler zu schimpfen und zu wettern, sondern helfen Sie mit, die Krise zu überwinden und fördernd einzugreifen.“

 

Mit seiner Amtszeit als Spielausschussvorsitzender leitet er die bis dahin erfolgreichste Phase der Clubhistorie ein, die 1932 mit dem Gewinn der ersten Deutschen Meisterschaft enden wird. In diesem Zeitraum wird Hans Bermühler nach fast 30 Jahren, von 1930 bis 1933, wieder in der Nachwuchsarbeit tätig sein. In diesen drei Jahren agiert er als Leiter der Jugendabteilung, 1931/31 gleichzeitig als Leiter der Schülerabteilung. 

 

Ab 1934 gehört Hans Bermühler den Ältestenrat des Clubs an. Als im gleichen Jahr nach einjähriger Amtszeit der Nachfolger Kurt Landauers, Präsident Siegfried Herrmann bei den Nationalsozialisten des Clubs in Ungnade fällt und zurücktreten muss, ergreift Bermühler in der Jahreshauptversammlung das Wort. Er stellt den Antrag, dass Herrmann zum Ehrenvorsitzenden ernannt wird, welcher einstimmig angenommen wird. Bis 1936 gehört Bermühler den Ältestenrat an. Zu dieser Zeit kommt es zu einem Zwischenfall, der dazu führte, dass er mit seinem FC Bayern über Jahre hinweg brechen wird. In einer Vorstandschaftssitzung beschimpft ihn Ferdinand Meier, Vereins-Dietwart und Leiter der Skiabteilung, übelst. Diese Verunglimpfungen gipfeln in der Aussage Meiers, dass mit Bermühler niemand mehr „Sitz und Tisch teilen kann“. Keines der damals anwesenden Vorstandschaftsmitglieder widerspricht Meier, steht Bermühler in dieser Situation bei. Dieser verlässt die Versammlung. Und damit auch für viele Jahre seinen FC Bayern.

 

Was waren die Beweggründe Meiers für eine solche Demütigung? Hans Bermühler ist seit 1926 in dritter Ehe mit Klara Gutmann verheiratet. Diese ist jüdischer Herkunft. Später entschließt er sich dazu, deren Sohn aus erster Ehe, den 1913 geborenen Walter Josef Freitag zu adoptieren. Zudem lebt darüber hinaus auch noch sein Schwiegervater Wilhelm Gutmann in der gemeinsamen Wohnung in der Westermühlstraße 16. Nach der Einführung der sogenannten Nürnberger Rassegesetzen im Jahre 1935, entschließen sich zahlreiche sogenannte arische Partner solcher Mischehen zur Scheidung, um sich selbst vor möglichen Repressalien oder gar Verfolgung zu schützen. Bermühler indes entschließt sich dazu, zu seiner jüdischen Ehefrau und deren Familie zu stehen. 

 

Die Adoption schütze Stiefsohn Walter jedoch nicht davor, dass er am 9. November 1939 von der Gestapo verhaftet und in das Gefängnis in Stadelheim verschleppt wird, wo man ihn bis zum 18. Januar 1940 unter dem Vorwand der sogenannten Schutzhaft interniert. Als am 21. November 1941 der erste Deportationszug München Richtung Osten verlässt, befindet sich auch Bermühlers Stiefsohn unter den 1.000 Münchnern mit jüdischen Wurzeln, die nie mehr zurückkehren werden. Am 25. November 1941 werden diese in Kaunas ermordet. Auch seinen leiblichen Sohn Hans wird Hans Bermühler verlieren. Er kommt als Soldat nicht mehr aus dem Zweiten Weltkrieg zurück. 

 

In den frühen 1940er Jahren wohnen Hans und Klara Bermühler in der Hermann-Schmid-Straße 4 in der Ludwigsvorstadt. In der direkten Nachbarschaft befinden sich in den Hausnummern 5 und 7 sogenannte „Judenhäuser“, in denen nun zahlreiche Münchner mit jüdischen Wurzeln zusammengezogen werden. Bermühler bekommt mit, wie dort mehrere hundert Menschen in engsten Verhältnissen leben müssen. Anfang Juni 1944 werden er und seine Frau Klara, in der Hermann-Schmid-Straße ausgebombt und ziehen nach Miesbach, wo sie das Kriegsende erleben. Ehefrau Klara konnte dem Holocaust entkommen.

 

Als Hans Bermühler 1950 zur Feier des Vereinsjubiläums vom FC Bayern eingeladen wird, kommen die Ereignisse von 1936 wieder zur Sprache. Bermühler, der immer noch in Miesbach wohnt, nimmt die Einladung nicht an, da der ehemalige Vereins-Dietwart Ferdinand Meier mittlerweile wieder Mitglied ist. Sehr deutlich bringt Hans Bermühler in einem Schreiben an den FC Bayern zum Ausdruck, was viele Deutsche mittlerweile wieder stillschweigend und duldsam akzeptieren. „Ich verzichte gern auf die Ehre mit solch politischen Verblendeten von damals, von denen es heute bereits wieder in Deutschland genug Fanatiker gibt, einen Tisch zu teilen.“

 

Obwohl Hans Bermühler auch eine erneute Mitgliedschaft ablehnt, berichten die Clubnachrichten 1951 von dessen schlechten Gesundheitszustand, ihm wurde das rechte Bein amputiert. Der Club spricht in dem Artikel Genesungswünsche aus. Anfang 1953 kommt es zu einer erneuten Annäherung und doch noch zur Aussöhnung zwischen Bermühler und dem FC Bayern. Im Mai dieses Jahres sind folgende Zeilen in den Clubnachrichten zu lesen:

 

„Wenn Sie heute die Neuaufnahmen in dieser Ausgabe betrachten, finden Sie an erster Stelle den Namen eines ganz alten Bayern, der sozusagen zum eisernen Bestand des Clubs zählt. Hans Bermühler, genannt „Barbarossa“ wegen seines Vollbartes, … hat wieder zu seiner Bayernfamilie heimgefunden. Barbarossa, wir grüßen Dich aufs herzlichste, hoffentlich können wir Dich auch wieder einmal bei uns sehen, denn von Miesbach geht ja auch ein Zug nach München.“ 

Die Ereignisse, die damals zum Austritt führten, traut man sich 1953 auch beim FC Bayern nicht konkret zu kommunizieren. Der Schriftleiter der Clubnachrichten versucht es mit folgender lapedarer Umschreibung zu erklären:  „… aber in den turbulenten Kriegszeiten geschahen ja die unglaublichsten Dinge.“

 

Zu einem Wiedersehen in München wird es nicht mehr kommen. Hans Bermühlers Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend.1954 bekommt er auch sein zweites Bein abgenommen. Die letzten Jahre seines Lebens verbringt er, gepflegt von seiner Frau Klara, bettlägerig.

 

Am 10. Juli 1956, kurz nach seinem 70. Geburtstag, verstirbt Hans Bermühler in Miesbach. „Unser Hans Bermühler ist tot.“ Beginnend mit diesen Worten, widmet Siegfried Herrmann ihm, bezugnehmend auf seine großen Verdienste für den FC Bayern, einen ausführlichen Nachruf in den Clubnachrichten. Er spricht von einem unserer „getreuesten Bayern“, der „dahingegangen ist“.

 

Er selbst, Hans Bermühler, kommentierte seine Beziehung zum FC Bayern München bereits drei Jahre vor seinem Tod wie folgt: „Der FC Bayern ist und bleibt für immer und ewig ein Stück von mir.“ 

 

Im Rahmen des Erinnerungstages 2024 erinnerte die Schickeria beim Heimspiel gegen Mönchengladbach mit einer Aktion in der Südkurve an die Verdienste von Hans Bermühler.

 

Andreas Wittner

Unterstützende Recherche: 

Alexander Langheiter, Stadtarchiv Miesbach

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