geboren am 18. Juli 1886 in München,
Deutscher jüdischer Herkunft,
Textilkaufmann,
Mitglied beim FC Bayern seit 1911,
nach 1945 erneut Mitglied,
Funktionär, Spieler,
Torwart in unteren Mannschaften und bei den Alten Herren,
10. November bis 5. Dezember 1938 im KZ Dachau,
Emigration am 29. August 1939 nach New York, USA,
ab 1948 Los Angeles, USA,
gestorben am 20. August 1962 in
Los Angeles, USA.
„Leopold Moskowitz. Wer von den alten Bayern würde beim Lesen dieses Namens nicht schmunzeln, war der Poldi doch immer ein lustiger Kamerad, hatte immer eine witzige Bemerkung zur Hand … und er war allzeit ein treuer Bayer.“
Mit diesen Zeilen erinnern die Clubnachrichten des FC Bayern München vom November 1951 an ein verdientes und engagiertes Mitglied, das fast genau 40 Jahre zuvor dem Club beigetreten war.
September 1911: In den Vereinsmitteilungen erfährt die lesende Mitgliedschaft, dass ein gewisser Leopold Moskowitz zukünftig als Schiedsrichter für die Gau- und Kreisligaspiele nominiert und gleichzeitig auch in die Wettspielkommision der Bayern berufen worden ist. Einige Spalten später wird sein Name, wohnhaft in der Lindwurmstraße 149, nochmals unter der Rubrik Mitgliederneuaufnahmen aufgeführt. Die ihm sofort anvertrauten Ämter lassen darauf schließen, dass der 25-jährige zuvor wohl bereits in einem anderen Verein aktiv gewesen sein könnte. Leopold Moskowitz, geboren am 18. Juli 1886 in München, ist beruflich in der Textilbranche tätig.
Nach dem Ersten Weltkrieg, mittlerweile ist er mit der gebürtigen Wienerin Maria Frieser verheiratet, betreibt er ein Textilkaufhaus in der Guldeinstraße 33. Seine Frau ist ebenso wir er jüdischer Herkunft. Am 20. Februar 1920 kommen die Zwillinge Curt und Lilli zur Welt. Beruflich geht es aufwärts, bald eröffnet er eine zweite Filiale in der Westendstraße 141, wo die Familie im gleichen Anwesen auch eine Wohnung bezieht.
Während er von 1915 bis 1917 als Kassier des Clubs in der Vorstandschaft Verantwortung übernimmt, schnürt er auch noch seine Fußballstiefel. So hütet er bisweilen in den 1920er Jahren das Tor der Alten Herren des FC Bayern. Mittels Inserate in den Clubnachrichten wirbt er für sein Geschäft „Kurz-, Weiß-, Woll- und Schnittwaren“ und unterstützt den Club so zudem finanziell. Auch auf andere Art und Weise scheint Moskowitz die Werbetrommel für seinen FC Bayern zu rühren. Zwischen 1929 und 1931 treten aus der Verwandtschaft seiner Frau Maria insgesamt fünf Verwandte dem Club bei.
Unter seinen Kunden ist Moskowitz als freundlicher, fairer Geschäftsmann bekannt. Nicht selten gewährt er wirtschaftlich in Nöte Geratenen Kredit. 1932 übernimmt er für zehn bedürftige, christliche Kinder eine Patenschaft. Drei von ihnen kommen aus kommunistischen, vier aus NSDAP-Familien. Drei weitere Kinder stammen aus Familien, deren Väter der Bayerischen Volkspartei angehören. Allen finanziert er eine komplette Ausstattung, also Kleidung, für das Fest ihrer Erstkommunion. Welche Botschaft er mit der Verteilung seiner Spenden mitteilen möchte, liegt auf der Hand.
Ein Jahr darauf, am 4. März 1933, feiert sein Sohn Curt Bar Mizwa in München. Das darauffolgende Jahr markiert in seinem jungen und unbeschwerten Leben einen Wendepunkt. Neben den zu dieser Zeit bereits einsetzenden antisemitischen Maßnahmen, denen sich auch die Familie Moskowitz ausgesetzt sieht, geht es Leopolds 13-jährigem Sohn gesundheitlich zusehend schlechter. Er verliert deutlich an Gewicht und verspürt Schmerzen beim Schlucken und in der Magen- und Lebergegend. Nach einer ärztlichen Untersuchung steht die Diagnose fest: Curt Moskowitz leidet an progressivem Muskelschwund. Die tödliche Erkrankung bestimmt von nun an für die kommenden Jahre das Leben von Curt und schreitet unaufhaltsam voran. Im Oktober 1938 ist ein Aufenthalt im Schwabinger Krankenhaus bereits unumgänglich. Zu diesem Zeitpunkt bestimmt mittlerweile die massive antisemitischen Verfolgung das Leben der jüdischen Münchner. Auch Leopold Moskowitz versucht sich dieser durch eine Flucht aus seinem Heimatland zu entziehen. Aber kein Land erteilt der Familie mit dem schwerkranken Sohn Curt ein Visum. Das bedeutet, dass die Familie nicht aus Deutschland emigrieren kann.
In der Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 verwüsten und plündern die Nationalsozialisten auch die beiden Geschäftsläden von Leopold Moskowitz. Tags darauf verschleppen die Nazi-Schergen auch ihn, wie über 1.000 weitere Münchner jüdischer Herkunft, in das KZ-Dachau, wo er bis zum 5. Dezember in der Internierung verbleiben muss. Zu dieser Zeit wird auch eine Zwangsversteigerung von seinen beiden Textilgeschäften vorbereitet, die er nicht verhindern kann. Im Frühjahr 1939 ist die„Arisierung“ unumgänglich, die Familie damit mittellos.
Zu diesem Zeitpunkt lebt Sohn Curt bereits nicht mehr. Im Wissen der Bedeutung seiner Krankheit für die Familie, begeht er kurz vor Weihnachten 1938 im Alter von gerade einmal 17 Jahren in seiner Verzweiflung einen Selbstmordversuch, der misslingt. Daraufhin wird er Anfang Januar in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar eingewiesen. Nach nur wenigen Tagen setzen die dortigen Mitarbeiter seinem jungen Leben bereits am 14. Januar 1939 ein Ende.
Es dauert noch bis zum 29. August 1939, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkieges, ehe es Leopold und seiner Frau Maria endlich gelingt, Deutschland zu verlassen und in die USA zu fliehen, wo sich Tochter Lilli bereits seit einigen Monaten in Sicherheit befindet. Über New York landen die Moskowitz´ 1948 für die nächsten Jahrzehnte in Los Angeles. Wie Eingangs erwähnt, meldet sich Leopold Moskowitz Ende 1951 per Brief wieder bei seinem FC Bayern zurück. Auch in Karlifornien lebend, wird er als Mitglied zukünftig wieder Teil des Vereins, liest auch dort regelmäßig die Clubnachrichten und steht im Briefkontakt zu Fußball-Freunden in der alten Heimat. Am 20. August 1962, im 51. Jahr seiner Zugehörigkeit zum FC Bayern, verstirbt Leopold Moskowitz im Alter von 76 Jahren in Los Angeles.
Andreas Wittner
Quellen:
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