geboren am 17. September 1913,
Deutscher jüdischer Herkunft,
Journalist, Redakteur,
seit September 1927 beim FC Bayern,
Jugendspieler, Ehrenmitglied,
gestorben am 14. Januar 1989.
Wem sagt der Name Robert Emil Lembke heute noch etwas? Wer vor 1975 geboren ist, wird ihn noch kennen. Bis kurz vor seinem Ableben moderiert er das allseits beliebte und erfolgreiche Berufe-Ratespiel „Was bin ich?“ in der ARD. Bedingt durch den jahrzehntelangen Erfolg dieser Sendung und der dadurch erlangten große Beliebtheit wurde er fast von der ganzen Nation reduziert auf diese, seine Tätigkeit als charmantester ‚Rateonkel‘ Deutschlands. In dieser Funktion verewigt ihn gar Rio Reiser 1986 in seinem Kultsong „König von Deutschland“:
„Im Fernseh´n gäbs nur noch ein Programm.
Robert Lembke 24 Stunden lang.“
Robert Lembke aber, war viel, viel mehr als nur der besagte „Rateonkel“. Er arbeitet als Zeitungsherausgeber, Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, stellvertretender Programmdirektor der ARD, Herausgeber und Verfasser zahlreicher Bücher und er war Spieler und später Ehrenmitglied des FC Bayern München. Er war ein „Phänomen“.
Bereits im Jahre 1952 verfasst der Münchner Schriftsteller Karl Ude ein Gedicht über Lembke, das damals in der Zeitschrift „Illustrierte Funkwelt Gong“ abgedruckt worden war. Folgend, die erste Strophe:
„Robert E. Lembke
Herr Lembke ist ein Phänomen –
Man kann dies klar daraus ersehen,
Daß er schon seit geraumer Frist
Am Münchner Sender tätig ist,
Obwohl er n i c h t , wie hier die meisten,
Zählt zu der Schar der „Zugereisten“,
Er kam vielmehr (was festgestellt)
Als echter Münchner auf die Welt.
Kein Wunder, daß er bayrisch denkt
Und treu am „FC Bayern“ hängt,
Wo er einst aktiv mitgespielt
Und immer noch als Fachmann gilt.“
Robert Emil Lembke kommt am 17. September 1913 in München zur Welt. In der Schwabinger Ungererstraße, unweit der heutigen Münchner Freiheit wächst er auf. Die Familie seines Vaters betreibt dort das Herrenmodegeschäft Weichselbaum. Weichselbaum ist auch der Geburtsname von Robert. Erst Jahre später sollte aus Robert Weichselbaum Robert Lembke werden.
Am anderen Ende der Ungererstraße, unweit des Neuen Israelitischen Friedhofes, fast schon in Freimann, befinden sich auf einem großen Areal damals acht Fußballplätze. Hier kicken Ende der 1920er Jahre wöchentlich bis zu 500 Kinder und Jugendliche in der Jugendabteilung des FC Bayern München. Im Mai 1927 tritt dieser auch der 13-jährige Robert bei.
„Weichselbaumer, Robert, Ungererstraße 2“ ist unter der Rubrik „Neuaufnahmen Jugendabteilung“ in den Clubnachrichten zu lesen. Versehentlich wird hier noch ein „er“ an seinem Nachnamen angehängt. Dies sollte aber das einzige mal bleiben. In seiner ersten Saison ist er in der Mannschaft seiner Altersklasse der Spieler mit den meisten Einsätzen und der besten Trainingsbeteiligung. Bereits nach einem Jahr bekommt er das Einfache Spielerehrenzeichen verliehen. In seiner zweiten Spielzeit wird Robert Weichselbaum zum Spielführer seines Teams ernannt, mit dem er am Ende der Saison die Münchner Meisterschaft ihrer Klasse erringt. Zeit seines Lebens wird Robert dem FC Bayern treu bleiben, seine Verbundenheit zum Club und den Fußball anhalten.
1918 wird die Ehe seiner Eltern geschieden. Robert nimmt später den Mädchennamen seiner Mutter, Lembke, an. Nach Beendigung seiner Schulzeit beginnt er 1931 ein Jurastudium, das er aber bald abbricht. Er widmet sich zukünftig dem Journalismus, schreibt unter anderem für das „Berliner Tagblatt“ und für die Münchner Satirezeitschrift „Simplicissimus“.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wird zukünftig auch das Leben von Robert Lemke stark beeinträchtigt. Bereits zum 1. Januar 1934 tritt das sogenannte Schriftleitergesetz in Kraft, das der Pressefreiheit in Deutschland ein Ende setzt. Lembke weigert sich eine „Loyalitätserklärung“ zu unterschreiben, darf deshalb fortan, nach seinem vielversprechendem Berufseinstieg, nicht mehr als Journalist arbeiten.
„Bevor ich meine Seele verkaufe“, so wird er Jahrzehnte später zitiert, „und das Gegenteil von dem schreibe, was ich vorher geschrieben habe, bin ich zur Industrie gegangen.“
1935 scheidet er beim Berliner „Rudolf-Mosse-Verlag“ aus. Er verdingt sich zukünftig als technischer Angestellter bei der „IG Farben“, wird dort unter anderem als Sachbearbeiter im Auslandsverkauf tätig sein. Sein Vater flüchtet 1936, seiner jüdischen Herkunft wegen, aus seinem Heimatland nach Großbritannien. Seit 1935 wird Robert, der damals perfiden deutschen Rechtsprechung wegen, als „jüdischer Mischling ersten Grades“ eingestuft. In den folgenden Jahren versuchen antisemitische Nazi-Funktionäre immer wieder, diese mit der Entrechtung von sogenannten „Volljuden“ gleichzusetzen. Auch der sogenannte „Halbjude“ Robert Lembke sieht sich in den Folgejahren ständig wachsenden Verfolgungsdruck ausgesetzt.
1935 heiratet er Mathilde Berthold. 1938 kommt eine Tochter, die spätere Buchautorin Ingrid Benedict, zur Welt. In den frühen 1940er Jahren zieht die Mutter mit dem Töchterlein in den Münchner Vorort Fürholzen. Sie kommen dort im landwirtschaftlichen Anwesen ihres Onkels unter. Robert Lembke wechselt, um eine Verhaftung durch die Gestapo zu umgehen, in diesen Zeiten öfters seinen Aufenthaltsort, bevor er sich im September 1944 auch nach Fürholzen begibt. Glaubt man den späteren Berichten von dortigen Zeitzeugen, dauert es nicht lange, bis sein Status als sogenannter„Halbjude“ bekannt wird. Die Bewohner des damaligen kleinen Dorfes jedoch, denunzieren ihn nicht. Nach wie vor muss Robert Lembke mit dem Schlimmsten rechnen. Ebenso die Fürholzener, die ihm Unterschlupf gewähren. Als am 25. April 1945 die Amerikaner anrücken, so ist überliefert, ist es Lembke, der den Panzern mit einer weißen Fahne entgegen geht und so das Dorf vor Schlimmeren bewahrt.
Als die Besatzer im Herbst 1945 in München die Herausgabe einer amerikanischen Zeitung für die deutsche Bevölkerung - „Die Neue Zeitung“ - ins Leben rufen, gehören Erich Kästner, Stefan Heym und auch Robert Lembke zu den ersten Redakteuren. Nach der zehnjährigen Zwangspause im Nazi-Regime kann er endlich wieder seiner eigentlichen Berufung, dem Journalismus, nachgehen.
Im Jahre 1948 taucht sein Name auch beim FC Bayern erstmals wieder, respektive der Name Robert Lembke überhaupt erstmals auf. Während seiner Zeit als Jugendspieler hieß er ja mit Nachnamen noch Weichselbaum. Kein geringerer als der ein Jahr zuvor aus der Schweizer Emigration zurückgekehrte Ehrenvorsitzende Kurt Landauer ist es, der ihm zum Club zurückholt, seine Wiederaufnahme beim FC Bayern vorschlägt. Auf der neu erstellten Mitgliederkarte wird sein Ersteintritt aus dem Jahre 1927 versehentlich auf 1928 datiert.
Im kommenden Jahr schlägt Robert Lembke beruflich neue Wege ein. Der Bayerische Rundfunk wird im Januar 1949 offiziell ins Leben gerufen. Mit Robert Lembke, für die nächsten Jahrzehnte in verschiedensten Funktionen, bis hin zum Chefredakteur und stellvertretenden Programmdirektor der ARD. Er gehört zukünftig zu den bedeutendsten Akteuren und Machern der deutschen Medienlandschaft.
Aber auch seine Liebe zum Fußball kann er weiterhin frönen. Als Deutschland 1954 in der Schweiz die Weltmeisterschaft gewinnt, agiert er als Teamchef der ARD-Delegation. Beim Finale in Bern sitzt er in der Rundfunkkabine neben Herbert Zimmermann bei dessen legendärer Radioübertragung und assistiert diesem. In den kommenden Jahren wird kein großes Sportereignis ohne sein Zutun stattfinden. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München und der Fußballweltmeisterschaft 1974 trägt Robert Lembke als Regisseur Verantwortung für sämtliche Radio- und Fernsehübertragungen.
Bereits am 2. Januar 1955 moderiert er erstmals im Fernsehen das Beruferatespiel, das als „Was bin ich?“ in den kommenden 34 Jahren auch ihn legendär werden lässt.
In diesen Zeiten hagelt es Auszeichnungen. Goldene Kameras, Bambi, Bayerischer Verdienstorden und das Bundesverdienstkreuz werden ihm überreicht. Beim FC Bayern würdigt man ebenfalls bereits einige Jahre zuvor seine Verdienste für den Club. Gemeinsam mit den früheren Nationalspielern Pöttinger und Goldbrunner wird er 1968 zum Ehrenmitglied ernannt.
Neben diesen Tätigkeiten pflegte Robert Lembke aber auch weiterhin seine literarische Seite. Er veröffentlichte zahlreiche Publikationen, durch die er nicht selten seine humoristische Seite zu Tage bringt. Darüber hinaus lässt er seine Weitsichtigkeit und Befürchtungen um die Entwicklung der Olympischen Spiele und des Sports bereits 1971 vorausschauend im von ihm herausgegebenen „Das große Handbuch der Olympischen Sommerspiele“ erkennen. Seine damalige Besorgnis, so wissen wir heute, ist nicht unbegründet. Unter anderem sind in besagter Publikation folgende Zitate von ihm überliefert:
„Im alten Griechenland beendete man Kriege, um die Spiele begehen zu können – wir lassen von Zeit zu Zeit die Spiele ausfallen, um Kriege führen zu können.“
„Die Spiele sind ins Riesige gewachsen. Sie verlangen Stille und verursachen Lärm. Aus der Begegnung ist ein Treffen geworden, aus dem Kult die Show.“
„Die Massen, die man braucht und lockt, müssen gehindert werden, die Spiele zu bedrohen. Das Olympische Dorf wird zum umzäunten und bewachten Gladiatorenkäfig, zwischen Zirkusvolk und Bewunderern liegt das Kassenhäuschen.“
Am 7. November 1988 findet im Salvatorkeller die Jahreshauptversammlung des FC Bayern statt. Für seine 60-jährige Mitgliedschaft wird an diesem Abend auch Robert Emil Lembke ausgezeichnet. Am 10. Januar 1989 moderiert er die 337. Folge von „Was bin ich?“. Laut einer Umfrage des „Stern“ kennen ihn damals 96,5% aller Deutschen als Moderator des heiteren Beruferatens.
„Für die Leute bin ich immer nur der ´Kasperl´ von ´Was bin ich?‘. Was ich wirklich gemacht habe, hat die nie interessiert“, gibt er damals in einem Interview zu Protokoll.
Vier Tage nach besagter 337. Folge von „Was bin ich?“ überlebt Robert Lembke eine Operation am offenen Herzen nicht. Robert Lembke, der seinem FC Bayern 61 Jahre zuvor als Robert Weichselbaum beigetreten war, stirbt am 14. Januar 1989 in seiner Heimatstadt München.
Andreas Wittner
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