geboren am 20. August 1886,
Deutscher, Kriminal-Oberinspektor,
seit 1904 beim FC Bayern,
Funktionär von 1907 bis 1953,
Präsident von 1933 bis 1934,
Ehrenpräsident,
1933 beruflich degradiert,
1941 strafversetzt nach Wien,
gestorben am 4. Juni 1971.
Siegfried Herrmann wird am 20. August 1886 in München geboren. 18-jährig tritt er 1904 in die damalige Fußball-Abteilung Bayern im Münchner Sport-Club ein. Als aktives Mitglied spielt er zunächst selbst in der 2. und 3. Mannschaft. Im April 1907 übernimmt er erstmals die Leitung der damals 70-köpfigen Jugendabteilung, die er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges - mit kurzen Unterbrechungen – sehr erfolgreich führt. Im Sommer 1914 umfasst die Nachwuchsabteilung 400 Mitglieder. Darüber hinaus begleidete er ab 1911 bereits für die nächsten Jahre das Schriftführer-Amt.
Herrmann, der nach der Schulzeit zunächst eine kaufmännische Ausbildung absolviert und in diesem Bereich tätig ist, wechselt 1912 im Alter von 26 Jahren zur Münchner Polizei und startet dort als Polizeiassistent. Von 1914 bis 1919 leistet er als mehrfach dekorierter Kriegsteilnehmer seinen Militärdienst an der Front.
Zurück in München tritt er umgehend wieder seinen Dienst bei der Polizei an. 1920 wird Siegfried zum Leiter der „Abteillung VI d – Politische Abteilung“ ernannt. Er berichtet später über seinen damaligen Aufgabenbereich, zu dem unter anderem die Überwachung der politischen Parteien, Aufzüge und Demonstrationen gehören. Zu diesen politischen Parteien zählte damals auch die in München aufkommende NSDAP um Adolf Hitler. In dieser Funktion, Siegfried Herrmann hat sie bis 1929 inne, dokumentiert eine spätere dienstliche Beurteilung von 1938 „hat er [Siegfried Herrmann] sich in dieser Zeit energisch gegen den Nationalsozialismus gewandt“.
Als die Polizeidirektion München am 27. März 1925 ein Redeverbot für Adolf Hitler erteilt, ist die schriftliche Abschrift hierzu von Siegfried Herrmann unterzeichnet.
Auch beim FC Bayern übernimmt Siegfried Herrmann ab 1921 wieder Verantwortung. Mitte dieses Jahres wählen ihn die Mitglieder erstmals zum 2. Vorsitzenden. In den kommenden Jahren bis 1933 wird er durchgehend im Führungsgremium des Clubs unter Kurt Landauer vertreten sein. In diesen 12 Jahren ist er – zum Teil in Doppelfunktion – fünf Jahre als 2. Vorsitzender, fünf Jahre als Spielausschussvorsitzender, drei Jahre als Schriftführer und sechs Jahre als Jugendleiter tätig.
Als Kurt Landauer nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten am 22. März 1933 gezwungenermaßen sein Amt als Vorsitzender zur Verfügung stellt, wird Siegfried Herrmann dessen Nachfolger. Aber lediglich für ein Jahr wird er als der erste „Vereinsführer“, wie sich der erste Mann in diesen neuen Zeiten nun zu nennen hat, tätig sein. Er selbst scheint an dieser neuen Bezeichnung wohl nur wenig Gefallen zu finden. Seine Beiträge unterzeichnet er in den Clubnachrichten in dieser Zeit mit „Die Klubleitung, Herrmann“, „Die Vereinsleitung, Herrmann“, „Siegfr. Herrmann, 1. Vors.“ oder schlicht mit „Siegfried Herrmann“.
Darüber hinaus schafft er sich bei den Nationalsozialisten, die es auch beim FC Bayern gibt, keine Freunde. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Vereinsführern im deutschen Fußball, die bereits 1933 mittels eines sogenannten „Arierparagraphen“ ihre Mitglieder mit jüdischen Wurzeln ausschließen, herrscht bei Siegfried Herrmann eine andere Ansicht. So führt er im Mai 1933 in den Clubnachrichten aus: „Nach wie vor stehe ich auf dem Standpunkt, dass ein Sportverein gemäß seinen Bestimmungen nach a l l e n Personen Gelegenheit bieten und geben soll, die eine solche in seinen Reihen suchen.“ Einen „Arierparagraphen“ wird es beim FC Bayern unter Siegfried Herrmanns Egide nicht geben.
Vielmehr ruft er per Satzungsbeschluss vom 9. Juni 1934 einen Ältestenrat ins Leben, dem alle Mitglieder angehören, die 20 und mehr Jahre dem FC Bayern angehören. Unter den etwa 120 berufenen „Ältesten“, alle werden namentlich in den Clubnachrichten aufgeführt, befinden sich elf Mitglieder jüdischer Herkunft, darunter auch Kurt Landauer. Dieses Gremieum soll, wie es in der neuen Vereinsatzung steht, dem Vereinsführer beratend zur Seite stehen und „in allen lebenswichtigen Fragen des Klubs“ gehört werden. Des Weiteren steht dem Ältestenrat bei internen Streitfällen die letzte Instanz zu, obwohl Siegfried Hermann schon einen zukünftigen, von den Nationalsozialisten eingesetzen, alleinherrschenden Vereinführer befürchtet.
Siegfried Herrmanns Tage als solcher sind bereits nach nicht einmal einem Jahr gezählt. In einem Beitrag in den Clubnachrichten vom August 1934 wird seine Amtsführung massiv kritisiert. Der im „neuen Deutschland“ herrschende „Gleichschritt und [die] Tuchfühlung“ fehle beim FC Bayern unter Siegfried Herrmann. Weiter führt der Autor, der Nationalsozialist und Vereinsmitglied Ferdinand Meier, aus: „In ganz Deutschland herrscht zu Nutz und Gute das Führerprinzip. Warum hat der F.C.B. immer noch ein Parlament von ca. 120 Ältestenräten. Weg mit den Ältestenräten und dafür her mit einem starken Führer!“ Auf diesem Druck hin, stellt sich Siegfried Herrman bei den Neuwahlen im September 1934 nicht mehr zur Verfügung. Die Mitglieder der Versammlung ernennen ihn jedoch einstimmig, nach Kurt Landauer und Franz John, zum dritten Ehrenpräsidenten in der Geschichte des FC Bayern.
Auch beruflich folgen nach dem 30. Januar 1933 schwere Zeiten. Laut Siegfried Herrmann wird er im Mai 1933 zur Kriminalpolizei zurückversetzt. Im September 1934 wird ihm die Leitung der „Bayerischen Landesfalschgeldstelle“ übertragen. Ab 1936 würde eine Beförderung zum Kriminalrat anstehen. Dies verhindert allerdings eine ablehnende Beurteilung. In einer weiteren Beurteilung der Gauleitung vom 13. Dezember 1937 wird ausgeführt: „Seine politische Einstellung, sowie seine Einstellung zum Nationalsozialismus ist nicht besonders gut. Desgleichen lässt der Deutsche Gruß und die Beflaggung zu wünschen übrig.“ Darüber hinaus sieht er nicht ein, was für einen deutschen Beamten in dieser Zeit eigentlich Pflicht ist, in die NSDAP einzutreten. Auch den damals vorgeschriebenen Eid auf Adolf Hitler verweigert er.
Im Oktober 1938 fordert die Gestapo eine Beurteilung Herrmanns bei der Münchner Polizei an. „H. soll vor der Machtübernahme als einer der gefährlichsten Gegner der nat.soz. Bewegung bekannt gewesen sein“, so die Begründung der Anfrage. Alle weiteren Versuche in den nächsten Jahre zur Beförderung schlagen fehl.
Im April 1941 kommt es in München zu einer folgenschweren, zufälligen Begegnung Siegfried Herrmanns mit dem hohen Parteifunktionär Max Amann. Dieser hat ihn noch in schlechter Erinnerung bezüglich dessen damaliger Tätigkeit als Leiter der Politischen Abteilung. Laut Siegfried Herrmann „beantragt dieser mittels einer mehrseitigen Eingabe an die Kanzlei des Führers meine sofortige Entfernung aus dem Staatsdienst.“ Wegen seiner ausgezeichneten bisherigen Qualifikation kann er allerdings eine Entlassung umgehen. Stattdessen wird er jedoch umgehend strafversetzt nach Wien, wo er bis zum Ende der Nazi-Diktatur verbleibt. Im Mai 1945 holt der neue Polizeipräsident von München Siegfried Herrmann umgehend nach München zurück. Er wird zu einem von zwei Sicherheitsdirektoren auf Lebenszeit berufen.
Auch die Mitglieder des FC Bayern übertragen Siegfried Herrmann 1945 wieder das Amt des Vizepräsidenten. Dieses hat er - zwischen 1947 und 1951 auch nochmals unter Präsident Landauer – inne, bis er 1953 noch einmal als kommissarisch eingesetzter Präsident für ein halbes Jahr das höchste Amt des Klubs begleidet. Er bleibt dem FC Bayern bis zu seinem Tode treu. Siegfried Herrmann hat gemeinsam mit Kurt Landauer den FC Bayern über fünf Jahrzehnte geprägt. Sein Nachruf in den Clubnachrichten beginnt mit folgenden Worten:
„Sein Herz hat aufgehört für den FC Bayern zu schlagen. Am 4. Juni 1971 starb unser Ehrenpräsident SIEGFRIED HERRMANN im Alter von 84 Jahren.“
Andreas Wittner
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